Auch der Tag ist geschafft und das wieder mal sehr betriebsam (sagt man das so?). Egal.
Die Arbeit geht mir zum Glück noch nicht aus und die Stimmung ist dementsprechend noch gut.
Zur Stimmung trägt auch die gute Aussicht in meinem provisorischen Büro bei.
Blick nach rechts – ich kann auf die Straße schauen. Ja gut, so viel ist da jetzt gerade nicht los, aber gut. Andere haben gar kein Fenster.
Blick nach links – und ich sehe eine Discokugel die wunderschön und golden in der Sonne funkelt und an die Wände kleine leuchtende Punkte strahlt. Nee, nicht wirklich eine Discokugel, nur ein Kerzenglas, dass mit ganze vielen kleinen und feinen goldenen(/gelben Scherben überzogen ist. Und hier reicht schon ein bisschen Sonne um gute Stimmung zu verbreiten.

Man kann fast sagen, es hat sich ein bisschen Alltag eingeschlichen, auch ohne Alltag. Und so unanstrengend ist das mit dem HomeOffice auch garnicht. Naja, ist ja auch Arbeit.

Am Nachmittag stand eine kleine Rundtour nach und durch Solingen an. Der erste Weg führte mich zum Verlag, zu meinem richtigen Büro. Da stehen nämlich noch Pflanzen. Meine Orchidee und Cocos Geburtstags-Pflänzchen. Die sollen natürlich auch nicht unter der Corona-Krise leiden und diese genau wie wir alle unbeschadet überstehen.
Die zwei Töpfe hab ich also kurz abgeholt. Danach ging es zu meinen Eltern – ein Versorgungs-Paket abliefern und die neuesten Geschichten von der Supermarkt-Toilettenpapier-Front berichten.
Cocos Geburtstagspflänzchen ist jetzt quasi im Hotel „Mama“ untergekommen. Hier wird sie gehegt und gepflegt. Also die Pflanze ?

Dann ging es auch schon auf den Rückweg. Man muss schon sagen – Corona ist ein echter Straßenfeger. Auch die Autobahnen sind sehr leer. So haben jetzt die bekloppten Raser mehr Platz. Unfassbar was manche meinen: „Nee, Regeln!?!? Für mich doch nicht.“
Nützt ja nix. Ich bin ganz entspannt zurück nach Rommerskirchen getuckert. Alles prima.

Dann ging es noch kurz ein paar Kleinigkeiten im Supermarkt einkaufen und !!!! ich habe da Klopapier gesehen! Unglaublich. Auf einer Palette, da lag es. Aber wir sind noch versorgt, wir hamstern nicht.

Zuhause angekommen, gab es ein kleines Abendessen und dann die wohlverdiente Couch. Und! Ganz neu! Gibt es für uns ab sofort den neuen Streaming-Dienst „Disney+“. Tolle App und ein riesiges Angebot – quasi alles was Disney jemals auf den Markt gebracht hat. So lange kann die längste Corona-Krise nicht dauern, als dass diese Auswahl nicht reichen könnte. Sehr empfehlenswert.

Tag zwei im HomeOffice ist geschafft. Wahnsinn. Ohne Ende Ideen von allen, wie wir die Zeitung weiter mit Eigenanzeigen füllen können und die Leser und Leserinnen daran beteiligen können.
Ein besonderer Auftrag forderte meine Fälscher-Qualitäten: Ein Presseausweis!
Ein Presseausweis für den kleinen Hannes. Hannes gehört mittlerweile zur Lokalprominenz in Solingen. Sein Papa – Gunnar Freudenberg – berichtet wöchentlich über „Sein Leben als Papa“ und das schrecklich sympathisch, ehrlich und wirklich lustig. So haben wir alle das Gefühl ein Teil von Hannes Kindheit zu sein.
Der Verleger möchte dem kleinen Hannes nun eine kleine Freude machen und hat mich beauftragt ihm einen Presseausweis anzufertigen. Dieser ist natürlich, ähnlich wie ein Personalauswaus o. ä., durch verschiedene Sicherheitsmaßnahmen fälschungssicher gemacht.
Was soll’s. Kriege ich schon hin. Wozu hat man denn das Internet. Flugs eine „Vorlage“ aus dem Netzt gezogen, diverse Dinge aus dem Bild rausretuschiert, Foto und Daten von Hannes rein und Zack – haben wir einen kleinen Presseausweis. Alles halb so wild, man sieht natürlich trotzdem noch, dass er nicht echt ist.

Mein Blick schweift immer mal wieder zum Fenster und da – auf der gegenüberliegenden Straßenseite: NIL! Die Nachbarskatze. Ich kippe das Fenster an und schon habe ich ihre Aufmerksamkeit. Sie läuft sofort über die Straße. Ist derzeit zum Glück nicht so gefährlich, sind ja kaum Autos unterwegs.
Ich lasse NIL rein und sie begibt sich auf die übliche Tour durch die untere Etage. „Ein Glück, die Menschen haben aufgeräumt.“ Wie immer gibt es für Nil ein leckeres Lachs-Sticki. Und zack – einmal nicht aufgepasst – da sitzt sie auf der Tastatur und schaut sich zwischen den Monitoren um. Das mit der Tastatur scheint mir nicht die beste Idee zu sein, das sage ich ihr auch und sie hört.
Zu spät. Alle meine Mails von heute sind mit einem roten Fähnchen gekennzeichnet. Blöd. Aber nicht tragisch. Lässt sich beheben. Trotzdem lerne ich daraus: Katze nicht auf Tastatur. Könnte auch anders ausgehen.
HomeOffice ist auch nichts für Nil, sie verliert schnell das Interesse und setzt sie lieber auf ihr Fensterbrett und beobachtet die Lage draußen. Wie Freigänger das wohl empfinden? Fällt ihr auf, dass etwas anders ist? Dass kaum noch Menschen auf der Straße sind? Gibt es womöglich Nachbarn, die sie nicht mehr ins Haus lassen?
Nach einer kurzen Schmusi-Einheit bei Timo sitzt Nil auch schon wieder an der Haustür, d. h. „Lass mich raus, ich hab zu tun.“ Und weg ist sie wieder. Bis zum nächsten Mal.

Am Nachmittag brauchte ich dringend frische Luft. Diese HomeOffice-Sache ist ja wirklich praktisch, aber man sitzt definitiv mehr. Klar, die Wege zu den Kollegen fallen weg. Die frische Luft ist auch weniger. Ich mache zwar Pause, aber irgendwie bleibt man dabei eben auch drinnen. Der Kaffee mit den Lieblingskollegen ist eben doch kurzweiliger und den würden wir jetzt wahrscheinlich im Außenbereich der Solinger Cafés trinken.
Aber gut. Nützt ja nix.

Frische Luft muss trotzdem an und in den Kopf. Ich brauche auch dringend Bewegung. Sport fehlt mir schon sehr. Auch wenn man sich oft zu körperlicher Ertüchtigung zwingen muss, wenn man nicht mehr darf, fehlt es. So ist es ja irgendwie immer.

Also Laufschuhe geschnürt, Mütze aufn Kopp und los. Raus in die Sonne. Und es war herrlich. Die Straßen sind nicht so leer, wie ich es gedacht hätte. Aber alle ganz anständig zu zweit oder eben mit den Kindern. Man weicht sich aus, aber grüßt sich freundlich.
Und nein, da war es nicht das Gefühl. Ich weiß nicht, ob es schon Normalität geworden ist, aber es hat sich nicht komisch angefühlt. Umso besser.
Die Runde hat gut getan. Die frische, kalte, klare Luft. Die Bewegung. Danach eine schöne heiße Dusche und dann ab auf die Couch.
Ich habe die Serie „Modern Family“ für mich entdeckt. Wobei das falsch ist. Wie das immer so ist, mir wurde schon ganz oft davon erzählt „Das musst du gucken!“, „Superlustig!“.
Ich brauche irgendwie immer länger, bis ich dann wirklich loslege. War bei „Game of Thrones“ auch so und dann – was soll ich sagen – konnte ich nicht mehr aufhören und letztes Jahr habe ich auch zu denen gehört, die der letzten Staffel und dem Finale entgegengefiebert haben.

Den Abend verbringen wir vor der Glotze mit der Mediathek der ARD. Ich wollte gern mal „Unsere wunderbaren Jahre“ sehen. Eine Film-Serie über die ersten Jahre nach dem zweiten Weltkrieg. Das Besondere – für mich – Teile des Films wurden in Solingen gedreht. Irgendwie bescheuert, aber es macht doch immer wieder Spaß in Serien oder Filmen, Orte zu entdecken die man kennt oder an denen man auch selbst schon war. „Guck mal, das kenn ich.“. Oder „Guck mal, da waren wir letztens noch.“.

Für mich geht es gegen 22.30 Uhr ins Bett. Ich möchte unbedingt in meinem normalen Rhythmus bleiben. Lange wachgeblieben wird am Wochenende. ?

Da ist er, der erste Tag im HomeOffice. Pflichtbewusst habe ich mir meinen Wecker auf 8.30 Uhr gestellt, damit ich auch wirklich pünktlich im neuen „Büro“ ankomme. Mein innerer Wecker hat aber schon um kurz vor 8 geschrillt.
Na, was solls. Nützt ja nix. Dann kann ich auch eben die Auflaufform von gestern Abend noch spülen, mir wie immer eine Kanne Tee machen und mein Müsli für 11 Uhr vorbereiten. Ja, 11 Uhr. Ich will alles so normal wie möglich beibehalten. Ich mache nämlich so eine Art Intervall-Fasten light. D. h. ich esse erst ab 11 Uhr und bis spätestens 19 Uhr. Light, weil ich mich zu nichts zwinge. Aber diese Taktung passt ganz gut in meinen Alltag. Also den normalen.

Da ich natürlich bis eben gearbeitet habe, ist das jetzt ein Rückblick auf den ersten Tag im Esszimmer-Büro. Ich habe es hier wirklich gut getroffen, ein riesiger Schreib(Ess-)tisch, ein großer Monitor, eine normale Tastatur und Maus – ich muss mich also nicht mit dem fummeligen Touchpad abmühen.
Entgegen meiner Erwartungen habe ich wirklich viel zu tun gehabt und es deutet sich auch an, dass das noch ein Weilchen so bleibt. Das beruhigt mich sehr, denn nicht nur, dass die HomeOffice-Situation komplett neu und doch noch etwas ungewohnt ist, die Sorge, dass einfach gar nichts mehr zu tun ist war schon da. Und irgendwie muss mein Kopf das erst verinnerlichen: Du bist zwar zuhause, aber du bist ganz normal auf der Arbeit.
Und es klappt alles wunderbar. Die Technik läuft vollkommen problemlos und irgendwann ist mir dann auch eingefallen, dass ich mich jetzt an meinem privaten Handy mit ST, RGA oder B. Boll Mediengruppe melden muss – ist ja quasi mein Büro-Anschluss.

Der Vorteil von HomeOffice ist definitiv: kein Dress-Code.
Nicht, dass ich täglich (oder jemals) wie ein Banker im Kostümchen zur Arbeit gehen müsste, aber heute sitze ich tatsächlich in einer ziemlich großen, schwarzen Joggingbuchse und einer Kapuzenjacke vor meinem Monitor. Zur Krönung des eher legeren Outfits trage ich die opulenten, ultrakuscheligen, roten und mit Glitzerfäden durchzogenen, selbstgestrickten Socken meiner Oma. Und nein! Ich habe gerade nicht übertrieben. Im Gegenteil.
Mit einem Foto meines Arbeitsplatzes und besagter Socken habe ich auch gleich die Kollegen über mein HomeOffice und die neue #casualchallenge auf unserem internen Facebook-Profil informiert. Unter dem Socken-Foto war wirklich ein Wow-Smiley dabei – der mit dem weit aufgerissenen Mund. Versteh ich gar nicht.
Alles in allem würde ich sagen, ein guter erster Tag im HomeOffice und nach kurzer Zeit schon gar nicht mehr so ungewohnt.

Ungewohnt war eher eben der Mann, der plötzlich draußen vor dem Fenster stand. Er stieg aus einem Auto aus, blieb auf dem Bürgersteig direkt vor dem Esszimmer-Fenster stehen und guckte am Haus entlang. Von oben nach unten, von unten nach oben. Irgendwann entdeckte er mich hinter einem der Fenster und wir spielten Indianer-Blick. Ich habe gewonnen.
Und dann stand er weiter da, stand da und guckte. Rauchte eine Zigarette und spuckte (!!!!!) auf die Straße. Eine Marotte, die ich auch ohne Corona absolut widerlich finde.
Also habe ich schnell Timo in seinem Büro über mir angerufen. „Siehst du den Typen da draußen?“, „Ja, der rotzt auf die Straße.“, „Und der guckt die ganze Zeit. Was will der denn?“.
Wir haben es bisher nicht rausgefunden. Irgendwann ging er wieder zu seinem Wagen und der Fahrer des Fahrzeuges stieg auch aus. Und dann sind die zwei losmarschiert. Vielleicht irgendwelche Vertreter oder vielleicht doch Betrüger? Oder Vertreter-Betrüger?? In diesen Zeiten auf jeden Fall komisch. Definitiv löst es DAS Gefühl aus.

Wir haben gut geschlafen. Bis fast 9.30 Uhr. Aber gut, warum auch nicht. Es ist Sonntag. Trotz allem ist heute Sonntag. Und Sunday is Runday. Die Sonne scheint, strahlend blauer Himmel. Also aufgestanden, Zähne geputzt und ab in die Laufklamotte, Musik auf die Ohren.
Nein, das lasse ich mir nicht nehmen – aber mit der nötigen Vernunft. Hier in Rommerskirchen sind die Straßen tatsächlich menschenleer. Auch an diesem sonnigen Sonntag.
Mit Mütze und einem Buff (diese Schlauchdinger, die irgendwie alles können) schütze ich mich gegen die doch noch sehr kalte Luft. Ich fühle mich komisch, wenn ich mir den Buff vor Mund und Nase ziehe. Denn das mache ich nur um die Lungen vor der kalten Luft zu schützen, so tut das Atmen nicht so weh.
Ich laufe die übliche Strecke durch die Neubausiedlung und an den Feldern entlang. Eigentlich herrlich und eigentlich mag ich es beim Laufen allein zu sein. Aber dieses nötige Alleinsein ist jetzt doch anders.
Vereinzelt begegnen mir Spaziergänger mit ihren Hunden oder kleine Familien. Man hält Abstand, läuft auf die andere Straßenseite. Normalerweise würde sich das wohl eher unangenehm anfühlen, als wäre man ein Aussätziger. Aber jetzt ist wohl jeder dankbar, dankbar für die Vernunft und das Verständnis. Dann grüßt man sich eben mit einem netten Nicken über die Straße hinweg.

Dann geht’s auch schon wieder zurück und bis hierhin ist dieser Sonntag eigentlich ganz normal. Ab unter die Dusche und dann gibt’s Frühstück. Ich mag Frühstück. Quasi mein Lieblingsessen ?

Ich habe uns eben für den neuen Streaming-Dienst Disney+ angemeldet. Mein Telefon-Provider bietet das 6 Monate kostenfrei an. Super! Nehme ich. Vielen Dank!

Tja, seitdem sitze ich hier. In meinem schon fertig eingerichteten HomeOffice. Wie ich finde sehr komfortabel. Ich habe das Glück den liebsten und weltbesten Nerd an meiner Seite zu haben, der mich mit allem ausstattet, was ich gerne haben möchte und mir, wenn nötig auch noch ein weiteres Kabel verlegt, weil mir schon wieder etwas eingefallen ist, was ich gerne hätte.
Einziger Wehrmutstropfen: Von meinem „Arbeitsplatz“ aus kann ich auf das Geschenk sehen, dass ich von Timo zum Geburtstag bekommen habe. Der Eiffelturm und eine Karte mit dem ausgestanzten Wort „Paris“.
Ein Gutschein für ein romantisches Wochenende in Paris. Toll. Wunderbar.
Aber gut. Nützt ja nix.
Das muss jetzt warten. Warten, bis sich die Lage weltweit beruhigt hat. Bis die Lage im Griff ist. Und dann wird es umso schöner! Da bin ich mir ganz sicher.

Und der Nerd ist deswegen der Beste aller Nerds, weil er jetzt in diesem Moment in seinem Büro sitzt und für mich eine Domain (ich glaube so heißt das) gekauft hat, auf der ich euch dann alle mit meinen Einträgen belästigen, unterhalten, auf dem Laufenden halten und mir die Zeit sinnvoll vertreiben kann.

Ein Stück Kuchen kann man ja nicht abschlagen. Also geht’s noch auf zu Timos Eltern. Ist gleich um die Ecke und man nutzt den Auslauf gleich für eine etwas größere Runde an der frischen Luft. Selbstverständlich halten wir auch mit seinen Eltern den nötigen Abstand ein. Keine Umarmung zur Begrüßung und am Tisch sitzen wir mit je mind. 1 Meter Abstand. Eigenartig, aber das ändert zum Glück nichts am leckeren Kuchen. Yummi!
Den Besuch dehnen wir auch nicht unnötig aus, sondern gehen mit einem Extra-Schlenker durch die Sonne brav wieder nach Hause.

So, 17 Uhr. Was machen wir jetzt? Scrabble? Ja. Machen wir. In der Schublade in dem ich das Scrabble vermute finde ich aber schon wieder ein Schätzchen. „Was ist Was“-Das Brettspiel. Von Haptik und Geruch her schätzen wir das Alter des Spiels auf ca. 30 Jahre. Ein klassisches Frage-und-Antwort-Spiel aus den 80igern. Das könnte interessant werden.
Ich kürze das mal ab – nachdem ich die Spielanleitung sorgfältig gelesen und die Spielvorbereitungen ausgeführt habe, geht es los. Fragen aus den Bereichen Natur, Tiere, Menschheit, Technik, Vermischtes und Geschichte. Das Spiel ist ab 8 Jahre. Nach den ersten Fragen finde ich die Altersangabe sehr ambitioniert. Oder weiß hier jemand an welchem Tag (exakt) der erste Heißluftballon über den Atlantik geflogen ist?!? Meine Lieblingsfrage ist: Was ist Telefax? Ein Fernseh-Clown, ein Videospiel oder Fernkopieren.
Fazit: Das Spiel hat uns für 3 Stunden gefesselt und wir haben fasziniert die Fragen gelesen, die einen richtig, die anderen falsch beantwortet und am Ende hat Timo gewonnen. Er gewinnt irgendwie immer, ich bin zu nett für Taktik ☹

Samstag, eigentlich nur ganz normales Wochenende, aber trotzdem vollkommen anders als alles was ich bisher erlebt habe. Alles fühlt sich anders an und alles ist anders.
Seit 14 Tagen ist es jetzt absolut präsent und nicht mehr weit weg in China: die Corona-Pandemie, sie ist da, direkt vor unseren Haustüren.
Gestern wurde entschieden, dass auch ich – Coco ist schon – ab Montag ins HomeOffice gehe. Der Verlag will nur noch ein Rumpf-Team im Haupthaus haben. Die Geschäftsleitung will uns schützen. Und da ist es wieder – dieses Gefühl: What the fuck! Klar, wir kennen die Fakten, wir informieren uns täglich, nein stündlich, wir kennen den Ernst der Lage, wir kennen die Nachrichten und Bilder aus Italien, aber trotzdem . . . vollkommen abgefahren, surreal.
Freitagabend wurde ich dann darüber informiert, dass die Marketing-Abteilung in Kürze auf Kurzarbeit umgestellt wird. D. h. ab Anfang April nur noch 50% arbeiten. Es ist nötig und es ist Fakt, dass die Arbeit einfach weniger geworden ist. Wir müssen jetzt alle unseren Beitrag leisten und dazu zählt Verzicht. Verzicht auf Freizeitspaß und Aktivitäten, Verzicht auf Kontakt zu Freunden und Familie, Verzicht auf Konsum und Luxusgüter und eben auch Verzicht auf Gehalt.
Aber vielleicht kann ja genau dieser Verzicht eine Chance sein – man lernt wieder alles das zu schätzen, was einem doch so selbstverständlich und vermeintlich unverzichtbar erscheint. Und, das konnte man schon in vielen Berichten lesen und hören, die Natur profitiert schon jetzt von unserem Verzicht. Hat es am Ende doch etwas Gutes?
Natürlich mache ich mir auch Gedanken. Gedanken um unsere Eltern, Verwandten und Freunde, klappt das mit weniger Gehalt, was mache ich mit so viel freier Zeit, die ich nun nicht mehr nutzen darf, wie ich es normalerweise machen würde, wann bekommen wir den Lagerkoller, wann gehen wir uns auf den Keks. Und auch etwas bekloppte Gedanken: Ich bekomme erstmal nicht den wunderschönen Le Creuset-Bräter. Den wollten wir eigentlich heute in Roermond kaufen. Aber gut. Nützt ja nix.

So, hier soll es aber nicht um die Fakten und Berichte gehen, die wir nun stündlich aus TV, Zeitung, Radio und Internet zum Thema Covid-19 also dem Corona-Virus und dessen Ausbreitung erfahren. Hier geht es um mich und wie ich ab sofort den Alltag ohne Alltag erlebe.

Also nochmal von vorne:
Tag 1 – Samstag, 21. 3. 2020
Ich muss sagen, dass ich immer noch total happy bin, dass ich vor exakt drei Wochen noch vollkommen ohne Sorgen und vor allem mit vielen lieben Menschen, meinen Geburtstag feiern konnte. Gerade heute fuhr nämlich hier in Rommerskirchen ein Feuerwehr-Auto mehrere Stunden ununterbrochen durch die Straßen und informierte per Lautsprecher die Bürgerinnen und Bürger über die neuen Maßnahmen: Ab sofort sind Menschenansammlungen mit mehr als 5 Personen verboten. Bei Zuwiderhandlung drohen Bußgelder oder sogar eine Gefängnisstrafe. Und wieder, immer wieder, die Ermahnung an jeden Einzelnen „Bleibt zuhause!“
Und da ist es wieder – dieses Gefühl: Krass! Das ist jetzt echt ECHT. Realität.

Nun gut, wir – Timo und ich – nehmen es ernst und sind nun eine Lebensgemeinschaft, die in dringenden Fällen auch noch zusammen auf die Straße und z. B. zum Einkaufen darf. Wir nehmen es ernst. Sehr ernst. Unsere Eltern gehören auf beiden Seiten zu absoluten Risikogruppen. Die gilt es nun zu schützen.

Ich schweife schon wieder ab. Ich wollte doch erzählen, wie wir den ersten Tag in Selbst-Isolation (nicht Quarantäne) überstanden haben.
Gut, würde ich sagen. Drei Schlagworte gibt es für den Tag und ab jetzt wird es jeden Tag drei neue Tages-Worte geben.
EXPLOSION – ENTRÜMPELUNG – NEW YORK (ja zwei Worte, aber eine Stadt ?)

Hochmotiviert sind wir in den Tag gestartet. Auf keinen Fall soll der berühmte Schlendrian Einzug halten. Wir wollen vermeiden nur noch auf der Couch zu liegen, Serien und Filme zu streamen und uns dabei mit Süßkram (hier auch Müßigkeiten*) die Bäuche mopsig zu futtern.
Also, was können wir machen.
*Müßigkeiten: Entstanden an einem normalen Tag im Supermarkt. Auf dem Zettel standen Milch, Müsli, Marmelade und noch mehr Artikel mit dem Anfangsbuchstaben M. „Wir kaufen heute nur Sachen mit M.“, „Oh, dann brauchen wir auch noch Müßigkeiten.“.

Das Wetter ist super und Timo hat den Luxus eines großen eigenen Gartens. Hier gibt es immer etwas zu tun. Timo sprüht Grünspan-Entferner auf die Bodenplatten und ich reinige eine wunderschöne riesengroße, bauchige Glasflasche, ich glaube früher war da mal Wein drin (viel Wein). Diese soll mit Lichterketten zu einem dekorativen Hingucker werden.
Ich befülle also die Flasche mit Wasser und Glasreiniger. Ordentlich schütteln und nach und nach wird das Glas wieder klarer. Die nächste Runde, die ich durch die Flasche kreisen lasse, ist Essigreiniger. Ahhhh – wird immer besser. Wir beschließen, die Flasche zusätzlich noch einmal mit heißem Wasser und Reiniger zu befüllen und das einige Stunden einwirken zu lassen. Das war wohl der Fehler. Ich lasse ganz langsam heißes Wasser aus dem Wasserkocher in die Flasche laufen. Ein leises Knacken und dann PAFF!! Die, wie ich schon sagte, sehr große Flasche, fliegt mir in hunderten kleinen Glassplittern um die Ohren und mit viel Geklimper und Geklirr durch die halbe Küche.
Zum Glück war der Schreck größer als der Schaden. Wobei ich schon jetzt Zweifel habe, ob das mit dem dauerhaften Zuhause-Bleiben das richtige für mich ist.
Drei kleine Schnittwunden in den Fingern, eine zerborstene Flasche und Unmengen von Glassplittern. Aber schade um die Flasche, das hat mich traurig gemacht. Nützt ja nix – jetzt muss sorgfältig aufgeräumt werden.

Neuer Plan. Die dritte Etage des Hauses. Die muss noch entrümpelt, ausgemistet und renoviert  werden. Super! Das machen wir. Gesagt getan und schon stehen wir in den staubigen Räumen und sortieren Müll und Kindheits-Erinnerungen. Spinnenweben werden weggesaugt, Ideen gesammelt, Pläne geschmiedet ….
Fazit: Hier ist noch einiges zu tun.

Im Anschluss verschwindet Timo im Keller und ab sofort höre ich in regelmäßigen Abstanden Poltern, Schleifen und Miauen.
Miauen!?!? „Mach mal die Tür auf!“, ruft es aus dem Keller.
Nil, Nachbars-Katze und mittlerweile unsere Adoptiv-Katze steht verwirrt vor einem der Kellerfenster und miaut um Einlass. Sie spaziert hinein und ist verwirrt. „Alles vollgestellt. Was ist hier los? Gefällt mir nicht.“ So bleibt ihr Besuch ein verhältnismäßig kurzer. In den Keller traut sie sich nicht. Sie ist ein Gewohnheitstier, mag keine Veränderungen – deshalb harmonieren Timo und sie ganz wunderbar. Also sitzt sie recht schnell wieder an der Haustür und bittet um Öffnung selbiger. Tschüssi! Bis bald.

Irgendwann kommt Timo aus dem Keller. Er hat ordentlich ausgemistet, sortiert, aufgeräumt und auch Schätze gefunden. Z. B. einen schönen dreiarmigen Kerzenständer aus Metall, der wird natürlich im Handumdrehen gereinigt (an dieser Stelle empfehle ich Lösin, damit geht alles weg) und darf jetzt aus dem Keller ins Wohnzimmer umziehen. Und ein Poster – hat mal 2,99 € gekostet. Aufgerollt und angesehen. Ein klassisches New-York-Motiv im Duplex-Stil. Eine Straßenflucht mit den typischen Hochhäusern in schwarz-weiß und den berühmten gelben New-York-City-Cabs. Prima. Können wir auch gebrauchen. Im Flur hängt schon ewig ein leerer Bilderrahmen und – siehe da – das Poster hat genau die richtige Größe. Natürlich wird das Poster sofort in den Rahmen getackert (ja!!) und aufgehangen. Top! Sieht super aus.

Danach ging es noch eine Runde an die frische Luft. Schön. Strahlend blauer Himmel, klare Luft. Man grüßt Freunde über den Gartenzaun hinweg durch die verschlossene Terrassentür. Freunde die gerade per FaceTime mit ihren Lieben sprechen.
Und da ist es wieder. Dieses Gefühl.

Am Abend füllen wir abschließend eine meiner Wissenslücken. Mit Teil vier habe ich nun alle Teile von „Lethal Weapon“ gesehen. Lustig. Wirklich gut.
Und was soll ich sagen. Tag 1, gut überstanden, ich bin müde, wir haben viel geschafft. Jetzt müssen wir nur aufpassen, dass wir nicht in blinden Aktionismus verfallen und alles in den nächsten 48 Stunden wegarbeiten. Es ist ja offensichtlich damit zu rechnen, dass unsere Kreativität und Motivation und vor allem unser Zusammenhalt noch einige Wochen auf die Probe gestellt wird.