Irgendwie geht mir heute viel und doch wieder nichts durch den Kopf. Ich bekomme nicht wirklich einen Gedanken zu fassen. Das war natürlich eben bei der Arbeit anders ?
Komisch ist das. Auf der einen Seite verfolge ich natürlich auch die Geschehnisse in den USA und das macht mich – ich muss ehrlich sagen – noch nicht einmal mehr nachdenklich. Fassungslos? Natürlich bin ich fassungslos über den Tod von George Floyd, fassungslos über das unmenschliche, kaltblütige Verhalten dieser Polizisten. Aber dann ist mein Kopf auch schon wieder leer. Was soll denn da drüben noch alles passieren? Wer kann das aufhalten? Wer kann etwas ändern? Mit diesem Präsidenten an der Macht?!!?
Gerade eben schrieb Erika „Die Amerikaner haben immer wieder bewiesen, dass es noch schlimmer geht.“ Recht hat sie. Natürlich sind nicht alle Amerikaner gleich, aber so lange man in einem Land Waffen wie Süßigkeiten kaufen kann und die Erlasse von einem twitternden, cholerischen, abgehobenen Präsidenten je nach Tages-Laune geändert werden können, was soll sich denn da ändern?
Ich kann die Wut der Menschen verstehen, absolut. Und man kann gar nicht oft und laut genug gegen Polizeigewalt und Rassismus demonstrieren. So etwas darf es nicht geben. Nirgendwo. Gegen niemanden. Aber was hilft es Kirchen anzuzünden und Geschäfte zu plündern? Menschen zu erschießen? Gewalt mit Gewalt zu vergelten? Wo hören Trauer und Proteste auf und wo fängt reine Zerstörungslust an?
Ich kriege diese ganzen Gedanken wirklich nicht sortiert. Weil es auch einfach wie in einem schlechten Film ist, den ganz dringend jemand abschalten sollte.
Das Schlimme ist ja, dass dieser Präsident genau diese Unruhen jetzt zu seinen Gunsten nutzt. Seine Anhänger stärkt er noch mit der Ankündigung das Militär aufmarschieren zu lassen. Es sind diese Ur-Amerikaner, die es als ihr heiliges Recht sehen, Leib und Eigentum mit Waffen-/Gewalt zu verteidigen. Also so, wie damals im Wilden Westen. Dieses Land ist achso stolz auf das was es ist … Was ist es denn? Bestimmt nicht so großartig wie es zu sein scheint oder sein möchte. Dieser ewige hochheilige Patriotismus, so langsam glaube ich, dass es der Deckmantel über dem Rassismus ist.
Wem geht es denn wirklich gut in den USA? Den oberen 10.000 und die sind bis auf wenige Ausnahmen weiß. Bist du reich und weiß, wählst du den richtigen Präsidenten, bist Christ (und wenn es nur geheuchelt ist), gibst dich tugendhaft (rastest aber beim Springbreak vollkommen aus), dann, ja dann, bist du wahrscheinlich ein glücklicher, ein wahrer Amerikaner.

Für mich ist die Illusion „Wow, Amerika!“ schon lange zerplatzt. Ich war mehrfach in diesem Land und es beginnt schon damit, dass man sich am Flughafen bei der Passkontrolle wenig bis gar nicht willkommen fühlt.
Tja und dann – klassisches „Mehr Schein als Sein“. Die Innenstädte von New York und San Francisco sind natürlich beeindruckend. Hohe, gläserne Gebäude. Moderne Fassaden, schicke Menschen mit schicken Jobs, die in schicke Restaurants gehen, die sich rund um die Uhr abrackern um die schicken, vollkommen überteuerten Appartements bezahlen zu können. Nur als Beispiel, wer meine Wohnung kennt, diese 2-Zimmer-Wohnung mit 65 m², würde z. B. in San Francisco um die 4000 Dollar im Monat kosten. Darüber habe ich mich in SF mit einem Amerikaner unterhalten.
Guckt man aber genauer hin, auch in den Straßen der glitzernden Metropolen, sieht man unfassbar viel Armut, Leid, Dreck und Hilflosigkeit. Ja, Obdachlose gibt es überall, auch hier bei uns. Vollkommen klar. Aber dort hat das ein vollkommen anderes Ausmaß. Denn dort kann jeder mit einem Fingerschnipp über Nacht alles verlieren. Und hast du dort nichts, bist du dort nichts. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Dort gibt es kein so stabiles soziales Sicherheitsnetz wie hier, geschweige denn eine Krankenversicherung. Krankenversicherung gibt es nur, wenn du einen Job hast, in dem dein Arbeitgeber dafür bezahlt oder du dir es auf eigene Faust leisten kannst. Nein, wenn man dort nicht arbeitet und Geld verdient, kann man nichts bezahlen und wenn man seine Wohnung nicht bezahlen kann, dann verliert man sie. Und dann ist das so.
Wäre mir der Bandscheibenvorfall inkl. 2 OPs, einem Implantat, zig Röntgenterminen, Reha, Medikamenten etc. als Amerikanerin passiert – ich wäre jetzt wohl auch obdachlos bzw. schwer krank, weil ich mir das Ganze gar nicht hätte leisten können. Wobei, ich in meinem Fall durch einen Fehler der Ärzte hätte klagen können, was mich in diesem Land wiederum steinreich gemacht hätte.
Und dann etwas weiter außerhalb, die klassischen Siedlungen, wie wir sie aus zig US-Sitcoms kennen. Ja, das sieht da exakt so aus. Ja, ganz viele Amerikaner haben ihr kleines Vorstadt-Häuschen. Super! Habt ihr euch die Dinger mal angesehen? Pressspahn. Billigste Bauweise und mittlerweile auch einfach alt und muffig. Warum fliegen denen denn wohl regelmäßig die Häuser um die Ohren, wenn mal wieder ein Orkan über das Land fegt?
Dieses Land gibt einfach etwas vor zu sein, was es schon viele, viele Jahre lang nicht mehr ist. Es geht immer nur darum dieses Bild des großartigsten Landes aufrecht zu erhalten. Ein großartiges Land, in dem viele Bürger nicht in der Lage sind über den kontinentalen Tellerrand hinaus zu schauen. Kein Wunder, dass so gut wie kein Amerikaner europäische Länder auf der Landkarte korrekt zuordnen kann. Europäische Geschichte oder Geographie wird in den Schulen so gut wie gar nicht unterrichtet. Nur die eigene größte und unerreichte Geschichte – und natürlich nur die glorreichen Teile – wird den Junior-Amis eingetrichtert. Wichtiger als Allgemeinwissen und eine umfassende Ausbildung ist dann, dass man an sog. „extracuricular activities“ teilnimmt, also Teil eines stolzen Sport-Teams ist oder im Orchester oder im Debattier-Club ist. Und das natürlich auch alles mit dem entsprechenden Patriotismus.
Nun gut, wir mussten uns in der Schule mit der gesamten amerikanischen Geschichte befassen, ab dem Zeitpunkt als Amerika noch gar nicht Amerika war und den Eingeborenen gehörte, Boston Tea Party, Pilgrims, Decleration of Independence, wie viele Sterne und Streifen hat die Flagge und warum und und und
Trump ist für die o. g. oberen 10.000 ein idealer Präsident, da er das Land in kultureller, finanzieller, intellektueller und einfach jeglicher Art weiter spaltet.

So, jetzt habe ich wieder eine Menge geschrieben, von dem ich nicht wusste, dass ich es schreiben will. Nützt ja nix, so, wie die Gedanken eben kamen und als letzter Gedanke kam mir gerade: „Und schau dir an, was aus diesem großartigen Land geworden ist.“ Und wahrscheinlich hatte es schon viele Chancen wieder großartig zu werden, aber die, die ihnen zuletzt geboten wurde, haben sie wohl mit der Wahl von Trump, auch wieder verspielt. Sein Wahlspruch „Make America Great Again“ war gar nicht falsch, aber er ist es dafür umso mehr.

Ich muss aber irgendwie jetzt noch einen Grund für mein Tagesfoto bringen. Wir machen das jetzt kurz und schmerzlos. Unser Abendessen gestern – Fladenbrot mit karamellisierten Zwiebeln und Ziegenkäse – war großartig. Und es hat nicht nur so getan, nein, es war wirklich großartig. Ich habe einen 1A-Hefeteig zubereitet und diese kleinen Fladenbrote waren der Knaller. Flugglig, saftig, lecker. Daher kann ich nur nochmal das Le Creuset-Kochbuch empfehlen. Tolle, machbare Rezepte und bisher hat alles geschmeckt.

Jetzt ist aber Schluss. Wir müssen jetzt noch ein bisschen was einkaufen und ich befürchte nach diesem Artikel, dass entweder Trump selbst oder mindestens Homeland-Security in den nächsten Tagen hier einmarschieren werden.

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