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Samstag, eigentlich nur ganz normales Wochenende, aber trotzdem vollkommen anders als alles was ich bisher erlebt habe. Alles fühlt sich anders an und alles ist anders.
Seit 14 Tagen ist es jetzt absolut präsent und nicht mehr weit weg in China: die Corona-Pandemie, sie ist da, direkt vor unseren Haustüren.
Gestern wurde entschieden, dass auch ich – Coco ist schon – ab Montag ins HomeOffice gehe. Der Verlag will nur noch ein Rumpf-Team im Haupthaus haben. Die Geschäftsleitung will uns schützen. Und da ist es wieder – dieses Gefühl: What the fuck! Klar, wir kennen die Fakten, wir informieren uns täglich, nein stündlich, wir kennen den Ernst der Lage, wir kennen die Nachrichten und Bilder aus Italien, aber trotzdem . . . vollkommen abgefahren, surreal.
Freitagabend wurde ich dann darüber informiert, dass die Marketing-Abteilung in Kürze auf Kurzarbeit umgestellt wird. D. h. ab Anfang April nur noch 50% arbeiten. Es ist nötig und es ist Fakt, dass die Arbeit einfach weniger geworden ist. Wir müssen jetzt alle unseren Beitrag leisten und dazu zählt Verzicht. Verzicht auf Freizeitspaß und Aktivitäten, Verzicht auf Kontakt zu Freunden und Familie, Verzicht auf Konsum und Luxusgüter und eben auch Verzicht auf Gehalt.
Aber vielleicht kann ja genau dieser Verzicht eine Chance sein – man lernt wieder alles das zu schätzen, was einem doch so selbstverständlich und vermeintlich unverzichtbar erscheint. Und, das konnte man schon in vielen Berichten lesen und hören, die Natur profitiert schon jetzt von unserem Verzicht. Hat es am Ende doch etwas Gutes?
Natürlich mache ich mir auch Gedanken. Gedanken um unsere Eltern, Verwandten und Freunde, klappt das mit weniger Gehalt, was mache ich mit so viel freier Zeit, die ich nun nicht mehr nutzen darf, wie ich es normalerweise machen würde, wann bekommen wir den Lagerkoller, wann gehen wir uns auf den Keks. Und auch etwas bekloppte Gedanken: Ich bekomme erstmal nicht den wunderschönen Le Creuset-Bräter. Den wollten wir eigentlich heute in Roermond kaufen. Aber gut. Nützt ja nix.

So, hier soll es aber nicht um die Fakten und Berichte gehen, die wir nun stündlich aus TV, Zeitung, Radio und Internet zum Thema Covid-19 also dem Corona-Virus und dessen Ausbreitung erfahren. Hier geht es um mich und wie ich ab sofort den Alltag ohne Alltag erlebe.

Also nochmal von vorne:
Tag 1 – Samstag, 21. 3. 2020
Ich muss sagen, dass ich immer noch total happy bin, dass ich vor exakt drei Wochen noch vollkommen ohne Sorgen und vor allem mit vielen lieben Menschen, meinen Geburtstag feiern konnte. Gerade heute fuhr nämlich hier in Rommerskirchen ein Feuerwehr-Auto mehrere Stunden ununterbrochen durch die Straßen und informierte per Lautsprecher die Bürgerinnen und Bürger über die neuen Maßnahmen: Ab sofort sind Menschenansammlungen mit mehr als 5 Personen verboten. Bei Zuwiderhandlung drohen Bußgelder oder sogar eine Gefängnisstrafe. Und wieder, immer wieder, die Ermahnung an jeden Einzelnen „Bleibt zuhause!“
Und da ist es wieder – dieses Gefühl: Krass! Das ist jetzt echt ECHT. Realität.

Nun gut, wir – Timo und ich – nehmen es ernst und sind nun eine Lebensgemeinschaft, die in dringenden Fällen auch noch zusammen auf die Straße und z. B. zum Einkaufen darf. Wir nehmen es ernst. Sehr ernst. Unsere Eltern gehören auf beiden Seiten zu absoluten Risikogruppen. Die gilt es nun zu schützen.

Ich schweife schon wieder ab. Ich wollte doch erzählen, wie wir den ersten Tag in Selbst-Isolation (nicht Quarantäne) überstanden haben.
Gut, würde ich sagen. Drei Schlagworte gibt es für den Tag und ab jetzt wird es jeden Tag drei neue Tages-Worte geben.
EXPLOSION – ENTRÜMPELUNG – NEW YORK (ja zwei Worte, aber eine Stadt ?)

Hochmotiviert sind wir in den Tag gestartet. Auf keinen Fall soll der berühmte Schlendrian Einzug halten. Wir wollen vermeiden nur noch auf der Couch zu liegen, Serien und Filme zu streamen und uns dabei mit Süßkram (hier auch Müßigkeiten*) die Bäuche mopsig zu futtern.
Also, was können wir machen.
*Müßigkeiten: Entstanden an einem normalen Tag im Supermarkt. Auf dem Zettel standen Milch, Müsli, Marmelade und noch mehr Artikel mit dem Anfangsbuchstaben M. „Wir kaufen heute nur Sachen mit M.“, „Oh, dann brauchen wir auch noch Müßigkeiten.“.

Das Wetter ist super und Timo hat den Luxus eines großen eigenen Gartens. Hier gibt es immer etwas zu tun. Timo sprüht Grünspan-Entferner auf die Bodenplatten und ich reinige eine wunderschöne riesengroße, bauchige Glasflasche, ich glaube früher war da mal Wein drin (viel Wein). Diese soll mit Lichterketten zu einem dekorativen Hingucker werden.
Ich befülle also die Flasche mit Wasser und Glasreiniger. Ordentlich schütteln und nach und nach wird das Glas wieder klarer. Die nächste Runde, die ich durch die Flasche kreisen lasse, ist Essigreiniger. Ahhhh – wird immer besser. Wir beschließen, die Flasche zusätzlich noch einmal mit heißem Wasser und Reiniger zu befüllen und das einige Stunden einwirken zu lassen. Das war wohl der Fehler. Ich lasse ganz langsam heißes Wasser aus dem Wasserkocher in die Flasche laufen. Ein leises Knacken und dann PAFF!! Die, wie ich schon sagte, sehr große Flasche, fliegt mir in hunderten kleinen Glassplittern um die Ohren und mit viel Geklimper und Geklirr durch die halbe Küche.
Zum Glück war der Schreck größer als der Schaden. Wobei ich schon jetzt Zweifel habe, ob das mit dem dauerhaften Zuhause-Bleiben das richtige für mich ist.
Drei kleine Schnittwunden in den Fingern, eine zerborstene Flasche und Unmengen von Glassplittern. Aber schade um die Flasche, das hat mich traurig gemacht. Nützt ja nix – jetzt muss sorgfältig aufgeräumt werden.

Neuer Plan. Die dritte Etage des Hauses. Die muss noch entrümpelt, ausgemistet und renoviert  werden. Super! Das machen wir. Gesagt getan und schon stehen wir in den staubigen Räumen und sortieren Müll und Kindheits-Erinnerungen. Spinnenweben werden weggesaugt, Ideen gesammelt, Pläne geschmiedet ….
Fazit: Hier ist noch einiges zu tun.

Im Anschluss verschwindet Timo im Keller und ab sofort höre ich in regelmäßigen Abstanden Poltern, Schleifen und Miauen.
Miauen!?!? „Mach mal die Tür auf!“, ruft es aus dem Keller.
Nil, Nachbars-Katze und mittlerweile unsere Adoptiv-Katze steht verwirrt vor einem der Kellerfenster und miaut um Einlass. Sie spaziert hinein und ist verwirrt. „Alles vollgestellt. Was ist hier los? Gefällt mir nicht.“ So bleibt ihr Besuch ein verhältnismäßig kurzer. In den Keller traut sie sich nicht. Sie ist ein Gewohnheitstier, mag keine Veränderungen – deshalb harmonieren Timo und sie ganz wunderbar. Also sitzt sie recht schnell wieder an der Haustür und bittet um Öffnung selbiger. Tschüssi! Bis bald.

Irgendwann kommt Timo aus dem Keller. Er hat ordentlich ausgemistet, sortiert, aufgeräumt und auch Schätze gefunden. Z. B. einen schönen dreiarmigen Kerzenständer aus Metall, der wird natürlich im Handumdrehen gereinigt (an dieser Stelle empfehle ich Lösin, damit geht alles weg) und darf jetzt aus dem Keller ins Wohnzimmer umziehen. Und ein Poster – hat mal 2,99 € gekostet. Aufgerollt und angesehen. Ein klassisches New-York-Motiv im Duplex-Stil. Eine Straßenflucht mit den typischen Hochhäusern in schwarz-weiß und den berühmten gelben New-York-City-Cabs. Prima. Können wir auch gebrauchen. Im Flur hängt schon ewig ein leerer Bilderrahmen und – siehe da – das Poster hat genau die richtige Größe. Natürlich wird das Poster sofort in den Rahmen getackert (ja!!) und aufgehangen. Top! Sieht super aus.

Danach ging es noch eine Runde an die frische Luft. Schön. Strahlend blauer Himmel, klare Luft. Man grüßt Freunde über den Gartenzaun hinweg durch die verschlossene Terrassentür. Freunde die gerade per FaceTime mit ihren Lieben sprechen.
Und da ist es wieder. Dieses Gefühl.

Am Abend füllen wir abschließend eine meiner Wissenslücken. Mit Teil vier habe ich nun alle Teile von „Lethal Weapon“ gesehen. Lustig. Wirklich gut.
Und was soll ich sagen. Tag 1, gut überstanden, ich bin müde, wir haben viel geschafft. Jetzt müssen wir nur aufpassen, dass wir nicht in blinden Aktionismus verfallen und alles in den nächsten 48 Stunden wegarbeiten. Es ist ja offensichtlich damit zu rechnen, dass unsere Kreativität und Motivation und vor allem unser Zusammenhalt noch einige Wochen auf die Probe gestellt wird.